Aus newClips 03-22, Seite 47
Kommentar von Judith Lorenzon:
Corona-Pandemie, Krieg in der Ukraine, Energiekrise – Schlagwörter, die es in sich haben und die wahrscheinlich zu den meistgegoogelten Begriffen der letzten zwei Jahre zählen. Es sind diese nicht abreißenden Hiobsbotschaften, die bei vielen Menschen den Eindruck hinterlassen, die Entwicklung des Weltgeschehens kenne nur eine Richtung, und irgendwann …
Ja, was eigentlich? Mit Blick in den Geschichtsatlas stellt man fest, Krisen gab es doch schon immer, das ist nichts Neues. Ob Wall Street Crash, die Ölkrise von ´73 oder die Finanzkrise von 2008 – alle haben die Welt ordentlich gebeutelt, Menschen verzweifeln lassen und doch haben sie sich aufgerappelt, die Ärmel hochgekrempelt und alles wieder aufgebaut. Wo ist der Unterschied, warum ist es dieses Mal so schlimm? Könnte es daran liegen, dass es diesmal keinen Restart, sondern ein Reset braucht? Die Forderung nach Konservierung sollte Platz für den Willen zur Implementierung eines völlig neuen Systems machen. Ein System, das mit vielen Veränderungen einhergeht. Dieser Gedanke ist angsteinflößend. Denn Menschen sind Gewohnheitstiere, sie brauchen ihre altbekannten Strukturen, um sich wohlzufühlen und in Sicherheit.
Angst zu haben, ist nicht per se schlecht. Evolutionsbiologisch macht Angst sogar sehr viel Sinn. Ganz nach dem Prinzip – Fight or Flight – ist Angst ein Schutz- und Überlebensmechanismus, der in tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Gefahrensituationen einsetzt. Doch in Krisenzeiten ist Angst ein sehr schlechter Ratgeber. Sie verleitet entweder zu überstürztem Aktionismus oder aber zu einer Schockstarre ähnlich der eines Rehs, das vor einem heranrasenden Auto erstarrt, unfähig, sich zu bewegen. Und es ist genau diese Angst, die viele Unternehmer davon abhält, wirkungsvolle Abwehrstoffe zur betrieblichen Immunität gegen die extremen Ereignisse aufzubauen, welche die Welt auch in Zukunft und höchstwahrscheinlich noch regelmäßiger und intensiver beschäftigen werden. Im verzweifelten Versuch, die Lage unter Kontrolle zu bringen, führen sie hektisch „nullachtfünfzehn“ Strategien ein, die entweder gar nichts bringen oder nur wenig, in der Hoffnung, bald wieder zum Altbewährten zurückzukehren. Oder aber sie reagieren so lethargisch, dass der Moment des Handelns verpasst wird. In beiden Fällen wird die Situation letztlich schlimmer statt besser, denn die Wettbewerbsstärke des betreffenden Unternehmens nimmt nicht zu, sondern ab! Wer beispielsweise denkt, Kosten durch Kürzungen einzusparen anstatt mit gezielten Optimierungsmaßnahmen, der hat im Markt der Zukunft keinen Platz mehr.
Grundlegende Veränderungen im Rahmen einer kontinuierlichen Verbesserungskultur sind gefragt, in der Flexibilität und Wandel Programm sind. Neues kann nur dort entstehen, wo Altes zerstört wird. Hier spiegelt sich gewissermaßen ein Naturgesetz wider. Jetzt ist die Zeit, die Panik fallen zu lassen und sich mit Elan an die Aufgaben zu machen, die vor einem liegen. Um in diesem Unterfangen erfolgreich zu sein, sei es aber von entscheidender Bedeutung, sich und sein Tun ständig auf den Prüfstand zu stellen, erklärt Mario Buchinger, Ökonomie-Physiker in seinem jüngsten Buch ‚WasserfallParadoxon‘. Für ihn ist der wohl größte Fehler, wenn es um Veränderungsfähigkeit geht, die Selbstherrlichkeit. Denn „um veränderungsfähig zu sein, muss man den eigenen Erfolg, egal wie großartig dieser auch sein mag, immer wieder bewusst vergessen.“ Wer nicht damit hadert, wie tief er fallen kann, wird auf Krisen nicht mit Angst, sondern mit Hoffnung und einem kreativen Aktionismus reagieren, der das Unternehmen langfristig voranbringt. Schlussendlich ist Hoffnung doch ein viel besserer Ratgeber als Angst
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Judith Lorenzon ist Vollblut-Redakteurin, liebt es kreativ tätig zu werden und bevorzugt Optimismus in Magazinen & Zeitungen