Kolumne von Nadine Schwarz
Familie, Haushalt und Arbeit vereinen. Trotz der ständigen Herausforderung freut sich unsere Autorin in einem Rettungsboot in Ufernähe zu sitzen.
Mit der Verabschiedung in die Elternzeit im Frühjahr 2020 hatte ich mir zwei Jahre Berufsauszeit vorgestellt, in der ich mit ganzer Energie zu 100 Prozent Mama bin. Mit dem Wissen, danach an meinen Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Gespannt, was sich dann alles in der Friseurbranche getan hat und mit Freude darauf, wieder Kontakt mit den vielen liebgewonnenen Menschen zu haben. Doch der Plan kenterte. Mit Corona kam das Aus meines Verlags und damit auch meiner Perspektive. Jobsuche mit Baby und, noch schlimmer, während der langwierigen Corona-Zeit, in denen so vielen das Wasser bis zum Hals steht. Von der Vorstellung eine arg und sorglosen Mama zu sein, musste ich mich also früh verabschieden. Was Sie liebe Leser:innen nun hier lesen, ist mein Rettungsboot. newClips steht daher nicht nur für eine neue Idee, ein neues Wagnis, ein neues Produkt am Markt mit neuem Input, sondern auch für meinen persönlichen Neustart am Arbeitsmarkt.
Im sicheren Boot zu sitzen, bedeutet aber auch, ein Jahr früher als geplant wieder am Schreibtisch zu sein. Mein Weg zurück in die Arbeitswelt wird von ordentlich Seegang begleitet. Und das, obwohl mein Job nahezu prädestiniert ist, ihn in freier Zeiteinteilung im Homeoffice auszuführen. Einfach die Schlafzeiten des Kindes nutzen, an den Tisch setzen, Rechner an und drauflostippen. So die Vorstellung und einer der unzähligen Tipps im Netz, über die ich nur noch müde lächeln kann. Denn die Realität sieht anders aus. Unsere Kleine schläft tagsüber fast ausschließlich im Tragetuch mit monotonem Staubsauger-Geräusch. Mir klingen die Worte der Krankenschwester nach der Geburt in den Ohren: „So wie sie es machen, so haben sie es.” Jetzt weiß ich, was sie meint, aber es ist zu spät. Mit zehn Kilo vor dem Körper gespannt, laufe ich durch den abgedunkelten Flur – das Handy in der Hand, das Schreibprogramm geöffnet. Ein weiteres lauerndes Seeungeheuer: mein Gehirn. Seit Kind funktioniert es irgendwie anders – es ist voll und gleichzeitig leer.
Das Nebenbei-Gebläse ist dabei auch nicht hilfreich. Das Handy ist außerdem der Ablenkfaktor Nummer eins im Job. Was das für mein „Kinderkram-Gehirn” bedeutet: „In der Mütter-WhatsApp-Gruppe werden Schuhe angeboten und jemand verkauft ein Laufrad. Braucht Kind doch bestimmt. Es gilt also schnell zu sein. Mal kurz nachsehen, was die Sachen neu kosten würden.” Und zack, ist der eng bemessene Arbeitszeitraum von einer Stunde vorbei – bevor mein Gehirn überhaupt in Fahrt kommt. So wie mir geht es vermutlich gerade tausenden daheim arbeitenden Menschen. Und viele nicht nur mit einem Kleinkind, das sich nicht alleine beschäftigen mag und schlafen per se doof findet, sondern mit Kindern im immer noch nicht funktionierendem Homeschooling. Was hilft denn nun, um diese Zeit zu bewältigen? Gute Organisation – sicher, Routinen schaffen – klar, Hilfe annehmen – leicht gesagt.
Diese in der Theorie fabelhaft klingenden Tipps kennen wir zur Genüge. Im Endeffekt müssen wir aber vor allem an uns selber glauben und uns selbst vertrauen. Wir müssen auf unsere mentale Stärke setzen! Das heißt, positiv sein und aus allem das Beste machen und ziehen. Eine besondere Zeit kann, wie das Wort „besonders” schon sagt, zugleich sonderbar, speziell, außergewöhnlich und herausragend sein. Dankbare Adjektive, wie ich finde. Seien wir also dankbar – für Boote, die uns einsammeln, Rettungsringe, die uns zugeworfen werden, Anker, die uns festhalten, eine ruhige See, für einen sicheren Hafen. Der Alltag wird uns am Ende alle viel zu schnell wieder einholen. Am Ende doch noch ein praxisnaher Tipp: Konzentrationsmodus beim Handy auswählen und ablenkende Apps während der Arbeit deaktivieren!
Nadine Schwarz hält nicht viel von Seemannsgarn. Die vielen Wasser-Metaphern sind wohl ihrem Wohnort am Bodensee geschuldet.
Die Kolumne SEEGANG von Nadine Schwarz erschien zum ersten Mal in der newClips – 02-21 (Seite 64)